Mittwoch, 9. April 2014

Lieber Opa,

es ist lange her, dass ich dir einen Brief geschrieben habe. So lange, dass meine Erinnerung an den Brief, an den Inhalt des Briefes, so verschwommen ist, dass ich mich nicht daran erinnern kann. Tatsache ist, dass du diesen Brief nie erhalten hast. Ich habe ihn ein paar Jahre später ungeöffnet in deiner Schreibtischschublade gefunden. Ich bedaure, dass unsere gemeinsame Zeit nicht länger gedauert hat. Dass ich dir damals nicht die richtigen Fragen stellen konnte. Aber das ist wohl immer das Bedauern der Überlebenden, der Lauf der Zeit, dem Großeltern und Enkel unterworfen sind.

Ich vermisse dich und dein Lachen jede Minute jeder Stunde jeden Tages. Manchmal mehr, manchmal ein bisschen weniger, aber immer, immer mit ganzem Herzen. 

Oft frage ich mich, was würdest du wohl dazu sagen. Zu meinem Mann, zu Flohs Frau und seinen beiden wunderbaren Töchtern. Sie wären dein Herz, deine Seele, dein ein und alles, so wie ich es einmal war, wie alle deine Enkel es einmal waren.

Was würdest du dazu sagen, dass ich Theologie studiert habe, wie du und Papa. Zwar nicht, um Pfarrerin zu werden, sondern Lehrerin, wie Papa. Was würdest du zu meinem Langzeitstudium sagen, dass ich scheinbar nicht zu Ende bringen kann. Oder dass ich Geschichte studiert habe? Wie Papa? Wenn ich mich recht erinnere, wäre es dir lieber gewesen, wenn ich Medizin studiert hätte, oder Jura. Glücklicherweise hast du inzwischen eine Schwiegertochter, die Ärztin ist. Damit bin ich aus der Sache raus.

Was würdest du wohl zu Flohs Beruf sagen, einen Konditor in der Familie zu haben, hätte dir mit Sicherheit gefallen, aber wahrscheinlich hättest du die gleichen Einwände gehabt wie Papa. Dazu, dass er vor mir Kinder bekommen hat?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass du zu alle dem eine Meinung gehabt hättest, zu allem etwas zu sagen gehabt hättest. Doch frage ich mich auch, ob meine Erinnerungen und meine Vorstellungen ein viel zu tolerantes Bild von dir zeichnen, ein viel zu positives Bild. Immerhin stammst du aus einer vollkommen anderen Generation, mit anderen Vorstellungen und anderen Voraussetzungen. 

Das meiste wird wohl unbeantwortet bleiben, aber diese Fragen zu stellen, mich selbst mit dir zu reflektieren, in meinen Erinnerungen zu wühlen, in Papas und EKFs, das alles wird ein Abenteuer an dem ich wachsen werde.

Einen sonnigen Gruß
Deine Enkelin

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