Freitag, 12. September 2014

Lieber Opa,
ich bin zufrieden. In diesem Moment, zu dieser Zeit. Ich sitze auf einer Bank, unter einem Baum und warte darauf, dass mein Bruder nach Hause kommt, mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Mäusen. Eigentlich waren wir verabredet, aber die vier sind auf den Jahrmarkt gefahren und haben dabei die Zeit vergessen.
Eigentlich sollte ich mich aufregen, denn wir waren verabredet, wie wir es jeden Freitag sind und dieses Mal bin ich nicht mit dem Auto gefahren. Aber ich bin es nicht. Ich bin zufrieden hier zu sitzen und zu warten bis die vier angebraust kommen.
Auf einer Bank zu sitzen hat den Vorteil, dass man die Leute beobachten kann. Hier sind ganz schön viele Leute unterwegs. Alle haben etwas zu tun, nur ich sitze hier und warte, genieße das Wetter und wundere mich doch manchmal über die Leute die hier vorbeikommen. Der Junge der im Laufschritt hier ankam, in einen Hauseingang ging und wieder rausrannte hatte Nasenbluten und es sah ein bisschen so aus als wäre er verprügelt worden. Nur auf dem Hinweg hatte er noch keine blutige Nase. Die alte Dame, die neben dem Floh wohnt schaute dabei auch ganz erstaunt aus dem Fenster und beobachtete das. Die beobachtet alles und kommentiert auch alles. So eine Nachbarin möchte ich nicht haben, das gebe ich zu.
Mich wundert auch, dass mich noch niemand angesprochen hat und mich gefragt hat was ich hier tue. Denn ich sitze nun schon eine ganze Weile hier mit meinem Laptop auf dem Schoß in einem Gebäudekomplex. Wenn das mein Gebäudekomplex wäre, also ich hier wohnen würde, dann hätte ich schon gefragt wer ich bin und was ich hier tue. Aber die Leute laufen einfach weiter an mir vorbei.
Ich glaube die Familie kommt gerade ums Eck, in jedem Fall die Katze, die wird jetzt mal ordentlich gekuschelt.
Hab dich lieb.
Ina

Dienstag, 15. April 2014

Lieber Opa,


als ich meinen Mann kennen gelernt habe, habe ich sehr bedauert, dass er dich und du ihn nicht mehr habt kennenlernen können. Ich bin mir sehr sicher, dass du ihn gemocht hättest. Ihr hättet Stundenlang irgendwo gesessen und euch unterhalten – über Gott und die Welt – und ihr hättet nicht gemerkt, dass die anderen schon völlig wo anders sind. Mit meinem Mann und Flohs Frau hätten wir euren Wohnzimmertisch definitiv erweitern müssen, das wären Familienessen gewesen.

In den letzten Jahren habe ich mich dann oft gefragt, was du davon gehalten hättest, dass mein Mann katholisch ist, dass wir in einer katholischen Kirche geheiratet haben, dass die Trauung katholisch-ökumenisch war. Ich weiß, dass du nicht in diesen Kategorien gedacht hast, dass du Mama und Papa auch getraut hast, obwohl Mama katholisch ist. Aber trotzdem habe ich mir diese Frage schon widerholt gestellt. Ich werde wohl Mama und auch Papa mal fragen müssen, was du damals zu dieser ‚Mischehe‘ gesagt hast. Oder welcher Konfession Oma angehört hat, als du sie kennen  gelernt hast. Ein bisschen in der Familiengeschichte herumstochern. Das mag ich.

Liebste Grüße

Mittwoch, 9. April 2014

Lieber Opa,

es ist lange her, dass ich dir einen Brief geschrieben habe. So lange, dass meine Erinnerung an den Brief, an den Inhalt des Briefes, so verschwommen ist, dass ich mich nicht daran erinnern kann. Tatsache ist, dass du diesen Brief nie erhalten hast. Ich habe ihn ein paar Jahre später ungeöffnet in deiner Schreibtischschublade gefunden. Ich bedaure, dass unsere gemeinsame Zeit nicht länger gedauert hat. Dass ich dir damals nicht die richtigen Fragen stellen konnte. Aber das ist wohl immer das Bedauern der Überlebenden, der Lauf der Zeit, dem Großeltern und Enkel unterworfen sind.

Ich vermisse dich und dein Lachen jede Minute jeder Stunde jeden Tages. Manchmal mehr, manchmal ein bisschen weniger, aber immer, immer mit ganzem Herzen. 

Oft frage ich mich, was würdest du wohl dazu sagen. Zu meinem Mann, zu Flohs Frau und seinen beiden wunderbaren Töchtern. Sie wären dein Herz, deine Seele, dein ein und alles, so wie ich es einmal war, wie alle deine Enkel es einmal waren.

Was würdest du dazu sagen, dass ich Theologie studiert habe, wie du und Papa. Zwar nicht, um Pfarrerin zu werden, sondern Lehrerin, wie Papa. Was würdest du zu meinem Langzeitstudium sagen, dass ich scheinbar nicht zu Ende bringen kann. Oder dass ich Geschichte studiert habe? Wie Papa? Wenn ich mich recht erinnere, wäre es dir lieber gewesen, wenn ich Medizin studiert hätte, oder Jura. Glücklicherweise hast du inzwischen eine Schwiegertochter, die Ärztin ist. Damit bin ich aus der Sache raus.

Was würdest du wohl zu Flohs Beruf sagen, einen Konditor in der Familie zu haben, hätte dir mit Sicherheit gefallen, aber wahrscheinlich hättest du die gleichen Einwände gehabt wie Papa. Dazu, dass er vor mir Kinder bekommen hat?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass du zu alle dem eine Meinung gehabt hättest, zu allem etwas zu sagen gehabt hättest. Doch frage ich mich auch, ob meine Erinnerungen und meine Vorstellungen ein viel zu tolerantes Bild von dir zeichnen, ein viel zu positives Bild. Immerhin stammst du aus einer vollkommen anderen Generation, mit anderen Vorstellungen und anderen Voraussetzungen. 

Das meiste wird wohl unbeantwortet bleiben, aber diese Fragen zu stellen, mich selbst mit dir zu reflektieren, in meinen Erinnerungen zu wühlen, in Papas und EKFs, das alles wird ein Abenteuer an dem ich wachsen werde.

Einen sonnigen Gruß
Deine Enkelin